Mel Bonis

Compositrice

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MEL BONIS, 1858-1937

Mel Bonis, mit Mädchennamen Mélanie Bonis, wächst in einer bescheidenen, kleinbürgerlichen Familie in Paris auf, wo sie streng katholisch erzogen wird. Zunächst deutet nichts auf ein Schicksal als Musikerin hin. Bis zu ihrem 12. Lebensjahr versucht sie ohne jede Unterstützung durch ihre Familie, autodidaktisch das Klavierspiel zu erlernen, bis sich eines Tages ein Verwandter für Mélanie einsetzt, so dass die Eltern schließlich nachgeben und in die musikalische Ausbildung ihrer Tochter einwilligen. Als außergewöhnlich begabte Schülerin wird sie César Franck vorgestellt, der ihr im Dezember 1876 die Tore des Konservatoriums öffnet. Sie studiert zusammen mit Debussy und Pierné. Bei ihren Professoren Guiraud und Bazillle, die sich nur lobend über sie äußern, ist sie sehr beliebt. Bis Ende 1881 belegt sie Kurse in Harmonie, Klavierbegleitung und Komposition.

In der Gesangsklasse lernt sie A.L. Hettich kennen, einen jungen Mann mit starker Persönlichkeit. Er ist Gesangsschüler von Viktor Masset und gleichzeitig Journalist und Musikkritiker der Zeitung „L'Art Musical". Melanies Eltern jedoch willigen nicht in die Heirat ein, sondern zwingen das junge Mädchen, das Konservatorium zu verlassen, um sie von Hettich zu trennen. Die vielversprechende Schülerin Mel Bonis, die mit dem ersten Preis für Klavierbegleitung ausgezeichnet wird und den ersten Preis in Harmonie erzielt, wird gezwungen, ihre Karriere als Musikerin auf dem Weg zum Erfolg abzubrechen.

1883 heiratet sie auf Betreiben der Familie Albert Domange, einen Industriellen. Domange ist zweifacher Witwer, Vater von fünf Kindern und 22 Jahre älter als sie. Fast 10 Jahre lang führt Mel Bonis ein bürgerliches Leben, das sie ganz den familiären Pflichten widmet. Sie zieht ihre Stiefkinder groß und schenkt ihrem Mann drei weitere Kinder.

Da sich ihre Umgebung nicht für ihre Musik interessiert, bedarf es äußerer Einflüsse, damit Mel Bonis wieder zu komponieren beginnt. Einige Jahre später trifft sie Hettich wieder. Er ermutigt sie zu komponieren, führt sie wieder in die Musikerkreise ein und nimmt eine großangelegte Anthologie klassischer Arien für die Gesangsausbildung mit ihr in Angriff. Sie liebt den Mann immer noch, der ihr von neuem den Hof macht, und ist hin und hergerissen zwischen ihren Gefühlen und ihren religiösen Überzeugungen - ein Konflikt, der für sie zu einer langen und schmerzvollen Erfahrung wird und zu Schuldgefühlen führt, die sie noch sensibler werden lassen und ihre Kreativität freisetzen.Heimlich bringt sie ein viertes Kind zur Welt, ein kleines Mädchen, das anzerkennen sie niemals den Mut finden wird. Sie versucht, diese Situation durch das Gebet und ihr musikalisches Schaffen zu bewältigen.

Mel Bonis komponiert ein umfassendes Werk:

- mindestens 60 Klavierstücke, zu denen Stücke für vier Hände, für zwei Klaviere und Alben für Klavierschüler hinzukommen.

- ein beachtliches Werk für Gesang, bestehend aus weltlichen Melodien - darunter ungefähr zehn zwei- und mehrstimmige Stücke - und über 25 vorwiegend polyphonen geistlichen Werken.

Die Textdichter sind in erster Linie Hettich, Maurice Bouchor und Edouard Guinand.

- ungefähr 30 Orgelstücke

- an die 20 kammermusikalische Werke, darunter drei Sonaten (eine Flötensonate, eine Violinsonate, eine Sonate für Violoncello, alle drei mit Klavier), zwei Quartette für Klavier und Streicher, eine „Suite im alten Stil" für sieben Blasinstrumente, und ein Septett: eine große konzertante Fantasie für Klavier, deren Orchestration sich auf zwei Flöten und ein Streichquartett beschränkt;

- elf Orchesterstücke, darunter die „ Suite en forme de Valse" und das Ensemble „Bourrée-Pavane-Sarabande".

Das Werk von Mel Bonis reicht von leichten Stücken bis zu mystischen Gesängen, von Kinderstücken bis zu konzertanten Werken und ist ebenso vielgestaltig wie umfangreich.

Mel Bonis, die dem postromantischen Stil zugerechnet werden kann, zeichnet sich durch besondere Inspirationsstärke aus, die durch eine hochsensible Psyche und eine mystische und leidenschaftliche Seele genährt wird. Ihre Musik spielt originell und geistreich mit Harmonie und Rhythmus. Man findet in ihren Kompositionen Spuren von Impressionismus und Orientalismus.... Trotz der Leichtigkeit und Lebendigkeit ihrer Inspiration überarbeitet Mel Bonis alles gründlich, was sie schreibt, korrigiert unaufhörlich - selbst bereits Veröffentlichtes - und gibt sich nie schnell mit dem Ergebnis ihrer Arbeit zufrieden. Die Interpretationsanweisungen, alle Einzelheiten der Nuancierung und der Tempi notiert sie eigenhändig und genau. Einige Werke sind über einen längeren Zeitraum hin entstanden. Man weiß zum Beispiel, dass sie fünf Jahre lang an dem Quartett in B-Dur gearbeitet hat. Die chronologische Untersuchung des Werkes zeigt, dass sie stets an einem wichtigen Stück gearbeitet hat und sich gleichzeitig kürzeren oder leichteren Kompositionen widmete, die sie ablenkten und ihr erlaubten, immer wieder die nötige Distanz zu finden.

Ihre wichtigsten Auftraggeber, Alphonse Leduc in den Jahren um 1890, anschließend E. Demets, dann sein Nachfolger Eschig und schließlich Maurice Sénart, zählen zu den renommiertesten Verlegern im Pariser Raum.

In der Zeit vom Beginn des Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg versucht Mel Bonis, ihre Musik bekannt zu machen und zu verbreiten. Sie wird bei Kompositionswettbewerben ausgezeichnet, was es ihr ermöglicht, in den großen Pariser Konzertsälen gespielt zu werden; sie schickt ihre neuen Kompositionen an ihr bekannte Interpreten in Frankreich und der Schweiz. Sie sendet sie auf Anforderung hin an Musikschulen in der Provinz. Sie schließt sich der Komponistenvereinigung an und wird dort Mitarbeiterin. Man spielt ihre Werke in bürgerlichen Salons und bei Schülervorspielen. Leider erklingt ihre Musik zu selten in den Pariser Konzertsälen, um die Bekanntheit zu erlangen, die sie verdient hätte. Gleichwohl sind einige Konzerte unvergeßlich: das Konzert, das 1910 im Rahmen der Konzertreihe Colonne im „Théâtre du Châtelet" mit der Fantasie stattfand, das Konzert 1912 im Konservatorium mit dem ersten Quartett, ein Kammermusikkonzert in der „Salle des agriculteurs" und mindestens ein Konzert bei Radio Rennes mit der Orchesterfassung des vertonten Gedichts „Le chat sur le toit".

Ein umfangreicher Briefwechsel zeugt von der Wertschätzung, die die Interpreten und Komponisten ihrer Zeit Mel Bonis zuteil werden lassen; sie selbst jedoch zeigt die größtmögliche Bescheidenheit gegenüber ihren Arbeiten. Ihr Umfeld hat weder jemals die wirkliche Dimension ihres Schaffens erfasst, noch die persönliche Größe Mel Bonis erkannt. Als die Musik der Komponistin Anfang des Jahrhunderts den Höhepunkt ihrer Reife erlangt, hilft Mel Bonis niemand bei ihrer Verbreitung.

Von dieser Zeit an und vor allem nach Ende des ersten Weltkrieges, verändert sich die Zeit, die Künste verlassen die akademischen Pfade. Mit fortschreitendem Alter gelingt es Mel Bonis, die durch ihre Erziehung geprägt und psychisch nicht sehr stabil ist, nicht mehr, sich an diese Veränderungen anzupassen, die ihr Angst machen. Sie entwickelt eine zunehmend ablehnende Haltung der Welt gegenüber. Vom gesellschaftlichen Leben zieht sie sich zurück, hat jedoch immer mehr Freude an ihren Enkelkindern. Immer leidenschaftlicher flüchtet sie sich in die Religion, die sie vor der Angst bewahrt und in der sie den Sinn des Lebens erkennt. Sie schreibt ihre Gedanken auf, die später von ihren Kindern unter dem Titel „Erinnnerungen und Reflexionen" gesammelt veröffentlicht werden. Sie strebt nach moralischer Reinheit und versucht vergeblich, dieses Ideal an andere weiterzugeben.

Die letzten 15 Jahre ihres Lebens verbringt sie vor allem liegend, sie leidet, ist isoliert, komponiert immer noch mit derselben Energie, ist aber zu schwach, um die Aufführung ihrer Musik in die Wege zu leiten. In einem Brief an ihre Tochter schreibt sie über ihren „Chant nuptial" (Hamelle, 1928) : „worüber ich zutiefst betrübt bin: niemals meine Musik zu hören."

Seit dem Tod ihres jüngsten Sohnes 1932 ist Mel Bonis noch schwächer, wenngleich ihre Inspiration wächst.

Ihre letzten Werke, die niemals verlegt, niemals aufgeführt wurden, wurden unlängst entdeckt, insbesondere ihre Messe. Diesen Werken gebührt unser Respekt und unsere Hochachtung. Sie sind geprägt von dem tiefen Wunsch, mit der unendlichen Güte Gottes und seiner „reinen Liebe" zu verschmelzen.




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Mel Bonis, Biographie - translated by Ingrid Mayer

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Christine GELIOT, Urenkelin von Mel Bonis, hat ihre Biographie geschrieben, die im jahr 2000 im Verlag L'HARMATTAN ( Paris) erschienen ist.

Editions Furore, à Kassel www.furore-verlag.de
14.90€

Die Autorin sagt zu ihrem Buch:

Nach sechzig Jahren des Vergessenseins weckt das Werk von Mel Bonis heute das Interesse der Musiker und Zuhörer. Man entdeckt die französischen Talente in der Nachfolge César Francks wieder und interessiert sich für die Frauen, die in traditionell Männern vorbehaltenen Bereichen Hervorragendes geleistet haben.

Die Biographie von Mel Bonis erzählt das Leben einer Frau und die Entstehungsgeschichte eines Werks. Es ist die Geschichte einer Pariser Industriellenfamilie an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert; es ist das Glaubensbekenntnis einer christlichen Seele und der Konflikt zwischen einer leidenschaftlichen Liebe und hohen moralischen Ansprüchen. Man entdeckt das Geheimnis einer Geburt und das Schicksal eines Kindes, das seiner Identität beraubt wird. Man hat teil hat an der Verwandlung von Schmerz in musikalische Schöpfung und begleitet die Entstehung eines großen Werkes. Man beklagt das Meer von Unverständnis, dem sich eine Frau dieser Zeit gegenübersah, wenn sie ein solches Werk schaffen und verbreiten wollte.

Ich war gepackt von der Kraft ihrer Musik und erschüttert über die Geschichte ihres Lebens. Ein unwiderstehlicher Wunsch ergriff mich, diese Pflicht der Familiengeschichte gegenüber zu erfüllen. Möge mein Buch zur Wiederbelebung ihrer Musik beitragen.

Christine Géliot (Übersetzung: Ingrid Mayer)

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